In letzter Zeit werden immer häufiger Stimmen laut, welche die Abschaffung des Arbeitszeugnisses fordern. Es sage nichts aus, es enthielte lediglich Standardfloskeln, es sei subjektiv, würde möglicherweise dem Fortkommen schaden und ist überflüssiger Ballast. Stimmt das?
In meiner langjährigen Personalarbeit habe ich vielfach Mitarbeiter rekrutiert. Ich habe Bewerbungsunterlagen gesichtet, musste Empfehlungen geben, die Unterlagen auswerten und Entscheidungen treffen. Ebenso war es meine Aufgabe, Arbeitszeugnisse für unsere Mitarbeiter zu entstellen. In meiner heutigen Dienstleistung, dem Erstellen von Arbeitszeugnissen, erlebe ich tagtäglich Kunden, welche Arbeitszeugnisse anfragen. Und zwar, weil diese Dokumente von Arbeitgebern bei Bewerbungen explizit verlangt werden. Für viele Arbeitgeber sind diese Unterlagen wichtige Entscheidungshilfen.
Ja, Arbeitszeugnisse sind in einem gewissen Rahmen subjektiv. Ja, es werden auch vielfach sehr „sparsame“ Zeugnisse ausgestellt, welche keine wirkliche Aussagekraft haben. Muss das aber das Ende des Arbeitszeugnisses bedeuten? Immerhin hat dieses Dokument auch entscheidende Vorteile: Hier kann dargestellt und belegt werden, was der Mitarbeiter tatsächlich geleistet hat. Der Zweck des Arbeitszeugnisses ist ja nicht das sinnfreie Herunterrasseln von Floskeln, sondern es soll ein wirkliches Bild vom Arbeitnehmer und dessen Mehrwert darstellen.
Selbstverständlich wird die Erstellung von Arbeitszeugnissen durch die rechtlichen Vorgaben und durch Geheimcodes etc. verkompliziert. Dennoch sollte man bedenken, dass bei der Vielzahl von Bewerbungen, die auf manche Stellenausschreibung eingehen, die Referenzen und die Empfehlungen, die sich der Arbeitnehmer bis dahin erworben hat, eine wichtige Entscheidungshilfe für den Recruiter sein können.
Selbstverständlich kommt es hier auf die Qualität des Zeugnisses an. Ein wirklich individuell erstelltes, persönliches Zeugnis, welches genau die Leistungen, den Mehrwert und die Erfolge des Mitarbeiters beschreibt, ist ein Nachweis und eine Referenz, auf die der Arbeitnehmer nicht verzichten sollte. Wer gute Leistungen erbracht hat, sollte das auch bescheinigt bekommen! Im Bewerbungsgespräch wird selbstverständlich über die Leistungen und das Fachwissen gesprochen, jedoch ist es die Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Und dazu muss der Bewerber punkten und sich von den Mitbewerbern abheben.
Insofern macht es keinen Sinn, über die Abschaffung von Arbeitszeugnissen nachzudenken. Sondern darüber, wie man diese Zeugnisse vereinfacht, verbessert und individualisiert! Denn ein wirklich qualifiziertes Arbeitszeugnis ist ein aussagekräftiges Dokument und ein wichtiger Teil der persönlichen Visitenkarte - genauso wie Zeugnisse über Abschlüsse - in der Bewerbungsmappe.