Entschlüsseln Sie die „Zeugnissprache“ – Was wirklich hinter den Formulierungen steckt

Arbeitszeugnisse sind ein zentraler Bestandteil des beruflichen Werdegangs und haben oft mehr Gewicht, als viele Bewerber zunächst vermuten. Doch hinter den vermeintlich neutralen und oft standardisierten Formulierungen verbirgt sich eine eigene Sprache: die sogenannte „Zeugnissprache“. Dieser verschlüsselte Code kann darüber entscheiden, wie potenzielle Arbeitgeber Ihre Leistung und Persönlichkeit wahrnehmen. Es lohnt sich daher, genauer hinzusehen und die Botschaften zu entschlüsseln, die Ihr Zeugnis wirklich vermittelt.

In diesem Beitrag erfahren Sie, warum es die Zeugnissprache gibt, welche typischen Formulierungen und ihre Bedeutungen Sie kennen sollten, und wie Sie sicherstellen können, dass Ihr Zeugnis eine durchweg positive Botschaft übermittelt.


Warum gibt es die Zeugnissprache?

Der deutsche Gesetzgeber verpflichtet Arbeitgeber dazu, Arbeitszeugnisse wohlwollend und zugleich wahrheitsgemäß zu formulieren. Diese Anforderungen führen jedoch oft zu einem Dilemma: Wie kann ein Arbeitgeber ehrliche Kritik äußern, ohne dabei den beruflichen Werdegang eines ehemaligen Mitarbeiters zu beeinträchtigen?

Die Lösung liegt in der Zeugnissprache, einer Sammlung standardisierter Formulierungen, die negative Aspekte subtil verpacken und dennoch rechtlich unangreifbar bleiben. Diese Formulierungen können jedoch für Laien schwer verständlich sein. Was auf den ersten Blick positiv erscheint, kann in Wahrheit kritisch oder gar negativ gemeint sein. Genau hier setzt die Kunst des Entschlüsselns an.


Beispiele für typische Zeugnisformulierungen

Einige Formulierungen in Arbeitszeugnissen sind besonders verbreitet und verraten, wie ein Arbeitgeber die Leistung und das Verhalten eines Mitarbeiters wirklich bewertet. Hier sind einige gängige Beispiele und ihre verborgene Bedeutung:

„Stets bemüht“

  • Was es bedeutet: Der Mitarbeiter hat sich angestrengt, aber die Leistung blieb hinter den Erwartungen zurück.
  • Was es suggeriert: Ein höflicher Hinweis auf mangelnde Kompetenz.

„Zu unserer Zufriedenheit“

  • Was es bedeutet: Durchschnittliche Leistung ohne herausragende Erfolge.
  • Was es suggeriert: Kein echter Mehrwert für das Unternehmen.

„Hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten eingesetzt“

  • Was es bedeutet: Eine klare Abwertung, die auf fehlende Fähigkeiten hinweist.
  • Was es suggeriert: Der Mitarbeiter war überfordert.

„Sein Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war einwandfrei“

  • Was es bedeutet: Das Sozialverhalten war gut, aber nicht herausragend. Eine Erwähnung von Kundenkontakt fehlt – möglicherweise, weil es hier Probleme gab.
  • Was es suggeriert: Einschränkungen in der zwischenmenschlichen Kompetenz.

Wie erkennen Sie, ob Ihr Zeugnis positiv ist?

Die Interpretation eines Arbeitszeugnisses erfordert Aufmerksamkeit für Details. Hier sind einige Aspekte, die Sie beachten sollten:

Gesamtnote:

Die Bewertung Ihrer Arbeitsleistung wird oft in standardisierten Phrasen verschlüsselt. Achten Sie auf Formulierungen wie:

  • „Stets zur vollsten Zufriedenheit“ (sehr gut)
  • „Zur vollen Zufriedenheit“ (gut)
  • „Zu unserer Zufriedenheit“ (befriedigend)

Vollständigkeit:

Fehlen wichtige Aspekte, wie zum Beispiel Ihr Verhalten gegenüber Kunden oder konkrete berufliche Erfolge? Dies könnte darauf hinweisen, dass der Arbeitgeber diese Bereiche bewusst ausgelassen hat – oft kein gutes Zeichen.

Indirekte Kritik:

Formulierungen wie „im Rahmen seiner Möglichkeiten“ oder „nach Anleitung“ sind subtil, aber aussagekräftig. Sie deuten auf Defizite hin, die nicht explizit genannt werden.


Warum professionelle Unterstützung wichtig ist

Die Zeugnissprache ist für Laien oft schwer zu entschlüsseln. Fehlerhafte oder unvorteilhafte Zeugnisse können Ihre Karrierechancen erheblich beeinträchtigen. Eine professionelle Überprüfung Ihres Arbeitszeugnisses kann Ihnen helfen, kritische Formulierungen zu identifizieren und Verbesserungsvorschläge zu entwickeln.

Vorteile einer professionellen Analyse:

  • Experten erkennen versteckte Bedeutungen, die Laien entgehen.
  • Sie erhalten konkrete Empfehlungen zur Verbesserung.
  • Eine fundierte Analyse kann die Grundlage für Gespräche mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber bilden.

Was können Sie tun, wenn Ihr Zeugnis fehlerhaft ist?

Sollten Sie feststellen, dass Ihr Arbeitszeugnis verbesserungswürdig ist, haben Sie das Recht, eine Korrektur einzufordern. Hier sind einige Schritte, die Ihnen dabei helfen:

1. Analyse:

Lassen Sie Ihr Zeugnis von Experten überprüfen, um problematische Formulierungen zu identifizieren.

2. Anpassungsvorschläge:

Formulieren Sie konkrete Änderungsvorschläge und besprechen Sie diese mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber.

3. Mediation:

Falls keine Einigung erzielt wird, ziehen Sie rechtliche Schritte in Betracht. Arbeitsgerichte setzen sich häufig für eine gerechte Anpassung von Zeugnissen ein.


Fazit

Arbeitszeugnisse sind mehr als nur eine Formalität – sie sind ein Spiegelbild Ihrer beruflichen Entwicklung und können entscheidend für Ihre Karrierechancen sein. Die Zeugnissprache birgt viele Nuancen, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. Mit dem richtigen Wissen und gegebenenfalls professioneller Unterstützung können Sie sicherstellen, dass Ihr Zeugnis Ihre Stärken ins richtige Licht rückt und potenziellen Arbeitgebern ein positives Bild von Ihnen vermittelt.

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